BRAUTMODEN ARE PASSING – oder: VALENTINS WHAT?

AHOI,

heute mit einer Real-Life-Episode, zum, nun ja, Valentinstag drei sehr guten Büchern von drei sehr guten Frauen – und drei Vorschlägen für die Wohnzimmerdisco.

Zuerst kurz zum obigen Foto1 : Ich habe es en passant in der Weltstadt Wedding aufgenommen, kurz nachdem DIE SINGULÄRE FRAU erschienen war und nachdem mich etliche Zuschriften erreicht hatten, von Leserinnen zwischen 24 und 76, die ihre ganz eigenen singulären Geschichten leben oder erlebt haben und sich sozusagen bedankten für das Buch – wofür ich mich immer zurück bedankt habe, denn ein solches Echo tut natürlich gut, sowohl der Schriftstellerin, als auch der Singulären Frau in mir. Auch heute, drei Jahre nach dem Erscheinen des Buches, bekomme ich noch entsprechende Post (dazu gleich weiter unten noch etwas).

Nun hat sich also gerade wieder einmal eine singuläre Leserin bei mir gemeldet. Und außerdem stand eben gerade ja der grottenblöde Valentinstag im Kalender. Ich hätte ihn glatt verschwitzt, ignoriert, überhaupt nicht mitbekommen …

… hätte sich nicht vor etwa 48 Stunden das Folgende zugetragen.


EINE KNALLECHTE EPISODE VON FREITAG, DEM 14.02.2025:

Ich war in einer rappelvollen Bar in Berlin Mitte verabredet (nicht aus romantischen Gründen), kam etwas früher dort an als meine Verabredung und ergatterte gerade noch den letzten freien kleinen Tisch. Während ich auf meine Verabredung wartete, schlich ein junger Mann (etwa Mitte 30) mehrfach an dem Tisch entlang, so wie er auch sonst – augenscheinlich recht nervös – durch die Bar tigerte, als ob er jemanden oder etwas suchte. Schließlich sprach er mich auf Englisch an: Ob an dem Tisch noch zwei Plätze frei seien? Ja, sagte ich, einen hielte ich für meine Verabredung frei, die anderen beiden könne er haben.

Der junge Mann bedankte sich, sehr höflich, sagte, er warte noch auf „a friend“ und komme gleich wieder. Meine Verabredung ließ ebenfalls auf sich warten. Während ich da also saß, allein an dem begehrten Tisch, drängelte sich der junge Mann immer angespannter, wie mir schien, durch die Menschengruppen in der Bar, drehte sich mehrfach zu mir um, hielt stets ein Auge auf die beiden freien Sitzplätze (ich verteidigte sie wacker, in seinem Namen) schaute auch sonst in alle Ecken – und verschwand irgendwann im hinteren Teil des Lokals. Worauf ich annahm, er habe seinen friend dort hinten wohl entdeckt. Plötzlich preschte er aber wieder in Richtung des Tisches, an dem ich saß – direkt neben der Eingangstür. Genauer gesagt, preschte der junge Mann auf eine junge Frau zu, die gerade hereingekommen war, und begrüßte diese strahlend.

Die junge Frau hingegen strahlte keineswegs, im Gegenteil, sie zog eine skeptische, vielleicht sogar etwas überhebliche Miene, um nicht zu sagen: eine Flunsch. Ich dachte: „Au weia, die hat offensichtlich überhaupt keine Lust auf diesen Abend …“ Der junge Mann, immer noch strahlend, streckte seinen Arm in Richtung des hinteren Bar-Bereichs aus, ließ die junge Frau vorgehen und beugte sich, hinter ihrem Rücken, kurz noch einmal zu mir: „Sorry, thank you for the table, but I found a cosier place in the back – it’s a first date …“ – und bei diesen letzten Worten schaute er mich sehr intensiv, irgendwie hilfesuchend, beinahe sogar leicht panisch an, so kam es mir vor. „Good luck“, sagte ich und lächelte ihm aufmunternd zu.

Und war wirklich angetan von diesem Moment, dieser Szene – von der soliden Ernsthaftigkeit dieses jungen Mannes; wie engagiert er sich um den bestmöglichen Platz für sein Date bemüht hatte; wie zuvorkommend er die junge Frau begrüßt und wie höflich er sich bei mir sozusagen abgemeldet hatte; und dass er mir dieses kleine Geheimnis anvertraut hatte; und auch davon, dass er die abweisende Mimik und Körpersprache der jungen Frau vor lauter Aufregung und Vorfreude womöglich gar nicht wahrgenommen hatte. Vielleicht habe ich mich ja getäuscht, dachte ich, vielleicht wird ja trotzdem etwas aus den beiden. Und da fiel mir eben das Datum ein: 14. Februar.

Und dann kam ein paar Minuten später auch meine Verabredung, und als wir endlich unsere Gläser aneinander stießen, sagte ich: „Happy Valentine’s Day!“, und meine Verabredung fragte: „Häääh? Was’n jetzt los?“, und wir mussten beide ein bisschen lachen.


DREI BÜCHER VON DREI SEHR GUTEN FRAUEN …

… fielen mir dann ein, als ich wieder zu Hause war: ein brandneues – ein ziemlich altes – und ein sogar noch älteres.

DAS LIEBEN DANACH – Helene Bracht – erscheint am 18. Februar bei Hanser

Zuerst dieses brandneue Buch, ein wirklich starker, zugleich aber eleganter, gelassener Text einer Schwester im Geiste, sozusagen.

Achtung – überschwängliche Adjektiv-Kaskade: DAS LIEBEN DANACH ist ein schlanker, angenehm unaufdringlicher, also nie gefühlsduseliger, vielmehr erfrischend kühler Essay, in dem Bracht, 1955 geboren, sich mit ihrer Liebesbiografie auseinandersetzt – mit sexuellen Übergriffen, die sie als Kind erfahren hat, mit glücklichen und weniger glücklichen Liebesbeziehungen (zu Männern und Frauen) – und damit, wie sie peu à peu zur Solistin wurde und diese Daseinsvariante mittlerweile sehr schätzt.

Was mich ungeheuer ehrt: Bracht erwähnt gleich am Anfang ihres Buches DIE SINGULÄRE FRAU – und hat, angeregt durch mein Buch, erstmals ein Buch einer anderen Schriftstellerin gelesen: den Roman ILLUSIONEN von Ruth Rehmann, der 1959 im Suhrkamp Verlag erschien, von dem ich in der Singulären Frau schwärme – und der nun also auch Bracht derart begeistert hat, dass sie in ihrem Buch ebenfalls Ruth Rehmann zitiert, und das in Verbindung mit meinem Namen.

REHMANN – KULLMANN – BRACHT – eine Spitzen-Connection, möchte ich meinen! Und finde, ganz abgesehen davon, sehr schön, wie Helene Bracht ihr eigenes Coming-out als Singuläre Frau zeichnet:

Ich hatte es weder herbeigerufen, noch kommen sehen, mit einem Mal war es da. Ohne äußere Einwirkung, einfach so, wie ein spontaner Quantensprung, ein unwillkürlicher Wechsel im Aggregatzustand des Seins. Völlig geräuschlos öffnete sich die Tür zu einem zuvor unbekannten Möglichkeitsraum innerer Freiheit. (…) Und (ich genieße) angemessen grundlos alles, was mir damit zufällt.

ILLUSIONEN – Ruth Rehmann – 1959 (Suhrkamp) – seit 2022 neu aufgelegt bei Aviva

Und bei dieser Gelegenheit empfehle ich – natürlich – auch ein weiteres Mal Ruth Rehmanns ILLUSIONEN. Als ich meine singulären Recherchen begann, besorgte ich mir jenen Roman in der Originalausgabe von 1959, inzwischen hat dankenswerterweise der Aviva Verlag das Buch neu aufgelegt, so sieht es heute aus (daneben Ruth Rehmann, ebenfalls eine Langzeit-Solistin, hier ungefähr in der Zeit fotografiert, in der sie den Roman schrieb):

SO IST DIE NEUE FRAU – Elsa Herrmann – 1929 (Avalun Verlag) – nur noch antiquarisch zu haben

Und zum Schluss kurz zu dem noch viel älteren Buch, das mir jetzt wieder einfiel – durch die anfangs in diesem Blog-Eintrag erwähnte Zuschrift einer freundlichen Leserin. Danke für Ihre E-Mail, Frau K.!

Frau K. erkundigte sich nämlich gerade nach dem 1929 erschienenen Buch SO IST DIE NEUE FRAU von Elsa Herrmann. Seinerzeit erschien es im fortschrittlichen Avalun Verlag / Hellerau (der unter dem NS-Regime einging), heute ist es nur noch über Bibliotheken oder in digitalisierter Form zu haben. Oder man lässt sich die digitale Fassung im Print-on-Demand-Verfahren irgendwo drucken und binden, das sieht dann so aus:

Zitat aus der SINGULÄREN FRAU zu Elsa Herrmann:

Die Feministin Elsa Herrmann, im sächsischen Plauen geboren, als Tochter einer jüdischen Kleinkaufleutefamilie, war zur Hochphase der Neuen Frau selbst im besten Neue-Frauen-Alter, souveräne Mitte dreißig, und trug ihr Haar zum modischen Pagenkopf frisiert. 1929 veröffentlichte sie ihr Buch »So ist die neue Frau«.

Darin schreibt sie: »Die Frau von heute heiratet in den meisten Fällen tatsächlich nicht. Nicht aber deshalb, weil sie kein Geld hat, arbeiten muß, kurz weil sie die Voraussetzungen nicht erfüllt […], sondern weil das Mädchen von heute dem Manne von heute, der allein für sie als Lebenskamerad in Betracht kommt, nicht oder nur in Ausnahmefällen begegnet. [Sie ist] auf Anerkennung der Vollwertigkeit ihres Geschlechts bedacht. […] Deshalb ist im Interesse einer gedeihlichen Entwicklung eine baldige Neuorientierung des Mannes dem neuentstandenen Frauentypus gegenüber dringend erforderlich.«


VORSCHLÄGE FÜR DIE WOHNZIMMERDISCO

Und weil jetzt eben gerade Valentins-Tamtam war, und weil ich warme Gefühle für all diejenigen hege, die gerade mal wieder glauben, ihr Herz sei gebrochen (Spoiler: Ist es nicht, es wird sich wieder erholen, trust me), hier noch drei flotte Songs zum Thema Herzschmerz – Heartbreak – Heartache. Supersubjektiver Kullmann-Geschmack, eh klar.

Dies hier – sehr sweeter early Reggae/Proto-Dub – mehr allgemein zum Thema:

Dies hier – spät-60er funky Soul, extrem gut tanzbar – von einem GIRL intoniert:

Und dies hier – von einem BOY gesungen – Gattung Northern Soul, Sub-Kategorie „Stomper“, ebenfalls sehr gut tanzbar:

Frohes Fingerschnipsen und Hüftgewackel wünscht: immer die Ihre, KK


  1. Ich habe es damals bei Instagram gepostet und von dort nun hierher geschoben, deshalb ist die Qualität so lala (das Original habe ich nicht mehr), demnächst werde ich mal schauen, was aus diesem, äh Fachgeschäft geworden ist. ↩︎

Zu den Fotos: Helene Bracht: (c) Paula Winkler für den Hanser Verlag / Ruth Rehmann: (c) Erbengemeinschaft Ruth Rehmann, über den Aviva Verlag / Elsa Herrmann: ©  Národní archiv, Policejní ředitelství II, Praha – všeobecná spisovna 1931-40, Karton No. 9637, Sign. P 1695/10 Elsa Pick


Katja Kullmann
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